Ciao Stelviosi!
Endlich habe ich meine Gefühle so weit im Griff um objektiv von einem Radspektakel berichten zu können, wie ich es selbst in meiner langjährigen Laufbahn als beinharter Aufdeckungsreporter, nicht erlebt habe.
Schon mein Eintreffen im Gasthof Stern ( Prad ) war geprägt von der Spannung welche diesen Event im Vorfeld schon seit Wochen begleitet. Nur bedingt konnte ich die hervorragende Küche, die schönen Zimmer und freundliche Atmosphäre des Hauses realisieren. War ich doch zu sehr abgelenkt vom Erscheinen eines Ausnahmesportlers dessen Namen auf Italiens Gipfeln nur hinter vorgehaltener Hand ehrfurchtsvoll geflüstert wird.
„Stelviolupo!“
Kaum gelang es mir, mich der Aura zu entziehen welche ihn umgab. Die kreischenden Mädchen, die in gebückter Haltung vorgebrachten Autogrammwünsche alter Rad – Haudegen. Das eine oder andere Gesicht wohl bekannt von aktuellen Girio d´Italia Übertragungen.
Aber als er sich nicht nehmen ließ mein Abendessen zu bezahlen, schlichen sich Zweifel und Fragen in mein Journalistenhirn.
Formkrise...? Wollte er sich meine beinharte, objektive Berichterstattung zurechtkaufen? Es fiel mir schwer, ruhigen Schlaf zu finden. Zu groß war die Verantwortung gegenüber meinen Lesern. Gegenüber der mit Spannung nach Italien blickenden Sportwelt. Habe ich mir zu viel aufgebürdet...? Bin ich der Aufgabe gewachsen? Kurz nach dem erlösenden Einschlafen, der Wecker.
Der Event:
Weinerliche, in Zigarettenrauch aufgegangene, gebrochene Sportlerexistenz! Jehes Karriereende...!
Das waren die Bilder welche ich nach dem vermeindlichen Bestechungsversuch in der Vornacht erwarten musste. Aber weit gefehlt! Nach einem Grappa und einer gemütlichen Zigarette in seinem unverkennbaren Trachten – Raddress, bestieg er sein Rad und riss derart an, dass ich auf den ersten paar hundert Metern mit der TDM kaum Schritt halten konnte und Angst um seinen gemarterten Hinterreifen bekam.
Den Erzherzog Johann Jodler auf den Lippen erklomm er die erste Hälfte des Anstieges auf den gefürchteten Schicksalsberg. Erst bei näherem Hinsehen erkannte ich, dass er zwischen den Kehren abwechselnd nur mit einem Fuß in die Pedalerie trat. „Um den anderen Fuß zu schonen“ erklärte er mir.
Höhenmeter um Höhenmeter schnellte er dem Gipfel zu und musste, wie auch ich, ansehen wie gestandene Rad – Semiprofis mit fünfköpfigem Betreuerstab und millionenschwerem Radequipment frustriert vom Sportgerät schwankten, dieses über die Leitplanken in die Schlüchte warfen um geschüttelt von Weinkrämpfen, zu Fuß, den Abstieg an zu treten, wenn Stelviolupo fröhlich grüßend an ihnen vorbei radelte.
Der Gipfelsieg war angesichts der unmenschlichen Form dieses Steirers nur noch prototollarisches Beiwerk. Ja selbst meiner Bitte, 5 Kehren vor dem Gipfel, aus erzieherischen Gründen, die lässig im Mundwinkel hängende Zigarette erst nach dem Zielfoto an zu zünden entsprach er nur wiederwillig.
Noch immer stehe ich unter dem Einfluss dieses großartigen Sportlers und seiner Leistung.
Vom Grappa bis zur Zielankunft verstrichen lediglich 2 Stunden und 46 Minuten.
Die Höllenfahrt welche uns über den Umbrailpass und Schluderns nach Prad zurück führte erbrachte somit einen Gesamtschnitt von 18 Km/h ! Wieder wurde Stelviolupo seinem Ruf mehr als gerecht.
Ich bin dankbar und ergriffen, so einen TDM – Kollegen und, wie ich hoffe, Freund zu kennen.
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Mario Schmidt Times, Austria
"Va pensiero"