"Das höhere Drehzahlniveau" hast du nur
im 1. Gang, bis du in den 2. schaltest, dann hat nämlich die längere Übersetzung das höhere Drehzahlniveau,
aber auch nur bis auch mit der in den 2. geschaltet wird,
dann hat wieder die kürzere Übersetzung das höhere Drehzahlniveau,
auch auch nur bis in den 3. geschaltet wird:
Dann hat wieder die längere Übersetzung das höhere Drehzahlniveau, usw. usw..
Was hat denn dann das Ändern der Übersetzung für einen Sinn?
Da müssen wir uns zuerst mal überlegen, welchen Sinn das SCHALT-Getriebe überhaupt hat,
denn es gibt ja durchaus auch Fahrzeuge, die KEINES haben, z.B. E-Lokomotiven.
Das funktioniert perfekt, denn deren (klassische Reihenschluss-)Motoren haben eine Drehmoment-Kennlinie,
die genau auf der Zugkraftkennlinie liegt - das ist die Drehmoment-Drehzahl-Kennlinie gleicher Leistung -;
wenig Drehzahl + großes Drehmoment bzw. hohe Drehzahl + niedriges Drehmoment.
(Das ergibt die gleiche Leistung, denn die ist proportional Drehmoment x Drehzahl)
Ein Schaltgetriebe würde da nichts verbessern.
Verbrennungsmotoren haben eine GANZ andere Drehmoment-Drehzahl-Kennlinie:
wenig Drehzahl + niedriges Drehmoment, hohe Drehzahl + niedriges Drehmoment,
dazwischen irgendwo ein Maximum und drumrum ein mehr oder weniger welliger Verlauf.
Diese Kennlinie kann die Zugkrafthyperbel gerade mal in EINEM Punkt berühren
und nur bei dieser Geschwindigkeit wird dann auch die Motorleistung optimal genutzt.
Das ist natürlich unbefriedigend.
Idealerweise würde man das mit einem (computergesteuerten) stufenlosen Getriebe anpassen
oder man baut Schaltgetriebe ein (in der Skizze vereinfacht ein 3-Gang-Getriebe).
Dadurch bekommt jeder Gang eine eigene Zugkraftkennlinie mit einem eigenen Berührpunkt,
wobei in den rot markierten Bereichen nicht die optimale Zugkraft = Beschleunigung erreicht wird:
Zugkraft Resultat.jpg
Wenn wir dieses Motorrad jetzt kürzer übersetzen, ergibt sich vergleichsweise folgendes Bild:
Zugkraft Vergleich.jpg
Ist das jetzt besser als vorher? Schauen wir uns das mal genau an:
Zugkraft Vergleich Resultat.jpg
Bei ganz niedrigen Geschwindigkeiten passt die kurze Übersetzung besser,
was man aber kaum nutzen kann. (Fahren mit Schrittgeschwindigkeit?)
Dann muss man in den 2. Gang schalten, weshalb die längere besser passt
und wenn man mit der schalten muss passt wieder die kürzere besser, usw. usw.
bis bei hohen Geschwindigkeiten letztendlich die längere Übersetzung besser passt.
(Wer jetzt meint, dass er ohnehin nicht so schnell fährt, kann ja auch den vorletzten Gang einlegen!)
Schaut nach einem Null-Summen-Spiel aus, oder?
Die Beschleunigung wird ja offen sichtlich nicht besser.
Ja, warum machen das dann die Profis im Rennen?
Weil die mit EXTREM unelastischen Motoren zu tun haben,
d.h. der liefert nur zwischen 12.000 und 14.000 U/min verwertbare Leistung,
darunter spotzt und ruckelt der nur - man muss mit schleifender Kupplung arbeiten.
Infolgedessen sind die Getriebe sehr eng gestuft,
damit der Motor nach dem Raufschalten noch immer in diesem schmalen Drehzahlband läuft,
d.h. VOR dem Raufschalten mit 14.000 und NACH mit 12.000 U/min.
Deshalb gab es klassische Rennmaschinen, die 14 oder mehr Gänge hatten,
was die FIM aber auf 6 Gänge beschränkt hat.
Jetzt wird´s schwierig:
Das Getriebe soll eng gestuft sein, schnell fahren wollen wir auch - sagen wir mal 250 km/h:
6. Gang von (250 km/h * 12.000/14.000 =) 214 km/h bis 250 km/h
5. Gang von (214 km/h * 12.000/14.000 =) 184 km/h bis 214 km/h
4. Gang von (184 km/h * 12.000/14.000 =) 157 km/h bis 184 km/h
3. Gang von (157 km/h * 12.000/14.000 =) 135 km/h bis 157 km/h
2. Gang von (135 km/h * 12.000/14.000 =) 116 km/h bis 135 km/h
1. Gang von (116 km/h * 12.000/15.000 =) 100 km/h bis 116 km/h
Das resultiert also in einem laaaangen 1. Gang, der zwar bis 116 km/h ausgedreht werden kann,
aber UNTER 100 km/h läuft der Motor nicht mehr "im Band":
Man muss mit schleifender Kupplung beschleunigen bzw. mit suboptimaler Beschleunigung leben.
Ist so - muss man mit leben.
Wenn man das Motorrad bei einem Bergrennen einsetzen will, wo maximal 200 km/h erreicht werden,
würde man mit dieser Übersetzung den 6. Gang gar nicht verwenden können
und hätte die Probleme beim Wegfahren bzw. aus den Kehren raus.
Da wird es enorme Vorteile bringen, die Mühle kürzer zu übersetzen und zwar so,
dass die maximal fahrbare Geschwindigkeit im 6. Gang bei Maximaldrehzahl erreicht werden:
14.000 U/min bei 200 km/h.
Damit verschiebt sich das ganze Gangdiagramm nach unten:
Der 6. Gang geht von (200 km/h * 12.000/14.000 =) 171 km/h bis 200 km/h
und mit dem 1. Gang ist der Motor schon ab 86 km/h im Leistungsband - ein echter Gewinn!
Was hat das kürzere Übersetzen jetzt für ein Straßenmotorrad für einen Sinn?
Naja, bei den 690er-KTMs mit ihrer (im Serien-Trimm) dürftigen Laufkultur im unteren Drehzahlbereich
KANN es dafür sorgen, dass man in 30 km/h-Zonen mit 2. Gang ohne Kupplungsschleifen fahren kann:
Statt bis 30 km/h ruckelts mit dem 15er-Ritzel bloß bis (30 km/h * 15/16 =) 28 km/h.
Was für ein Gewinn!
Dafür verpasst das dem ursprünglich 6. Gang eine Übersetzung, wie sie der originale 5. hat.
Es FEHLT also die Übersetzung, die der 6. Gang geboten hat
und damit orgelt man die 690er Überland sinnlos hochtourig.
Das ist also ein Tuning für Leute, die nicht rechnen können (und die keine besseren Ideen haben).
Bei der vergleichsweise EXTREM elastischen und kultiviert laufenden TDM
muss mir also jemand erklären, was das bringen soll.
Aber bitte mit Fakten und nicht bloß mit
"ist jetzt viel besser"!
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